Möbelmuseum Steinheim

Kurzgefasste Geschichte

Die Geschichte der Steinheimer Möbelindustrie begann mit Anton Spilker, der 1838 in Steinheim in einem kleinen Fachwerkhaus in der Neuen Straße geboren. Sein Vater Anton, Tischler und Zimmermann, erkannte das Talent seines ältesten Sohnes und schickte ihn zu Meister Christian Louis Beneke, dem fürstlich-lippischen Hoflieferanten, nach Detmold in die Lehre. Anton jun. bildete sich nebenbei in Stilkunde und Zeichnen weiter und ging nach seiner Gesellenprüfung auf Wanderschaft bis nach Berlin. 1864 kehrte er nach Steinheim zurück und übernahm die Tischlerwerkstatt seines Vaters, die er als „Fabrik geschnitzter Möbel“ eintragen ließ.

Aller Anfang war schwer: die ersten Aufträge waren die Verglasung einer Stalllaterne und das Aufhängen eines Spiegels. Ein Zufall kam ihm zu Hilfe: bei seinem Freund und Nachbarn Levi Emmerich kehrten junge Offiziere aus Neuhaus, Münster und Neuss ein- und aus, die schneidigen Reiter und Ulanen kauften bei ihm Pferde. Abends saß man bei Meister Spilker in der Werkstatt und ließ sich seine Tischler- und Schnitzkunst vorführen. Daraus entstanden Aufträge für Wappenstühle für die adeligen Herren. Diese entwickelten sich zum Verkaufsschlager und öffneten weitere Türen. Bald erhielt Spilker Aufträge aus dem ganzen Kaiserreich und stattete Offizierskasinos mit Möbeln und Wandverkleidungen aus.
Seinen Erfolg nutzte er unter anderem auch, um Generationen von Lehrlingen auszubilden und seine Fertigkeiten an sie weiterzugeben. Viele von ihnen gründeten nach Lehre, Wanderjahren und Meisterprüfung in Steinheim eigene Werkstätten und Betriebe, so dass Anton Spilker I. als der Begründer der Steinheimer Möbelindustrie angesehen wird.

Meister Anton Spilker um 1886 im Kreis seiner Gesellen und Lehrlinge, damals schon eine stattliche Belegschaft von 12 Mitarbeitern. Die Werkstatt befand sich damals in dem 1866/67 errichteten Neubau an der Neuen Straße. Foto: Fotothek A. Spilker
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Bereits nach kurzer Zeit erfolgten weitere Gründungen von Betrieben in Steinheim, die zu einem großen Teil von ausgebildeten Tischlern aus der Werkstatt Spilker stammten. Dieses führte zu einer ersten Blütezeit im Deutschen Kaiserreich bis zum 1. Weltkrieg. Der Anschluss an das Eisenbahnnetz ab 1873, Dampfmaschinen in einigen Werken und ab 1904 die Bereitstellung von Kraftstrom durch ein städtisches Elektrizitätswerk förderten die Entwicklung dieser Branche entscheidend. Die Zeittafel im Eingang des Möbelmuseums (Link auf die Seite Zeittafel) zeigt die Entstehung vieler Betriebe in diesen Jahren.

Die reich geschnitzten Einzelanfertigungen der ersten Jahrzehnte, im Stil des Historismus und des wiederauflebenden Barock und Rokoko, wurden nach dem Einschnitt durch den 1. Weltkrieg und den schwierigen 1920er Jahre mit Hyperinflation und Weltwirtschaftskrise, aber auch dem veränderten Zeitgeschmack ab den 1930er Jahren zunehmend durch Stilmöbel (Link auf die Seite Stilmöbel), die historische Stile wie Barock, Rokoko oder Renaissance aufnahmen, abgelöst.

Der erste Aufschwung wurde abermals durch den 2. Weltkrieg unterbrochen, führte dann jedoch ab den 1950er Jahre in den Wirtschaftswunderjahren zu einer Hochphase und rasanten Entwicklung der Steinheimer Möbelindustrie. Insbesondere die Vielfalt und Qualität der Stilmöbel, sowohl im Wohn- und Esszimmerbereich als auch in hochwertigen Schlafraumprogrammen, brachten der Möbelstadt Steinheim weit über die ostwestfälischen Grenzen hinaus in Deutschland und dem benachbarten Ausland einen hervorragenden Ruf als „Hochburg der Stilmöbel“ ein.

Darstellung der Möbelfabrik Franz Pollmann auf ihrem Briefkopf um 1938, die in großzügiger Perspektive die Fabrikgebäude an der Schulstraße zeigt.

Diese Entwicklung wurde durch den veränderten Zeitgeschmack und die stark steigenden Produktionskosten ab den 1970er Jahren gestoppt und führte zu einem Niedergang dieser Branche, die über 100 Jahre lang viele hundert Steinheimer Familien ernährt hatte. Heute sind die Spuren verwischt, Fabrikgebäude abgerissen oder zu Wohnungen und Gesundheitseinrichtungen umgebaut und so aus dem Stadtbild und dem Gedächtnis verschwunden. Das Möbelmuseum bewahrt und pflegt die Erinnerung an diese große Epoche der Steinheimer Möbelindustrie und ihre großartigen Erzeugnisse!

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